Die Landwirtschaft

Die Gutshöfe in den römischen Provinzen, so wie hier in Rätien, dienten vorwiegend zur Versorgung der Besatzungstruppen. Dies war ihre Pflicht und ihr Geschäft. Dazu wurde oftmals an Veteranen, die nach der Militärdienstzeit ehrenvoll entlassen wurden (und dann erst offiziell heiraten durften) ein Stück Land verpachtet.

Wenn es sich um eine Neuanlage handelte, so wurde der Standort sehr sorgfältig ausgewählt: Es musste eine gesunde und fruchtbare Lage sein, in der Nähe des Gehöftes war eine Quelle oder ein sauberer Bachlauf nötig; und das Gelände sollte leicht abfallend sein, damit es etwas trocknere und feuchtere Lagen gab - natürlich in unmittelbarer Umgebung des Hofes. Dazu wurden Fachberater, so genannte "Seher" herangezogen. Diese prüften Boden, Wasser, auch den Gesundheitszustand der ansässigen Bevölkerung und den Vogelflug, ja selbst die Innereien von heimischen Wildtieren, um negative Einflüsse der Gegend auf die Landwirtschaft zu vermeiden.

 

Die Pflanzen

Die Ernährungsgrundlage der Truppen (und der Bevölkerung überhaupt) war Getreide. Es wurde als Brot oder Brei verzehrt, diente zum Brauen und zur Fütterung der Tiere. Als Nebenprodukt fiel Stroh an, das ebenso wie Heu in den Ställen der Armee für die Zug- und Reittiere dringend benötigt wurde. In den Gebieten nördlich der Alpen wurden hauptsächlich Dinkel und Gerste angebaut, auch Hafer und in sehr guten Lagen Weizen. Gelegentlich wuchsen auch Roggen und Hirse, je nachdem, aus welcher Gegend des römischen Weltreiches der Hofherr stammte - und was er selbst in seiner Jugend kennen und schätzen gelernt hatte. Wie in der heutigen Zeit wurde angebaut, was Boden, Klima und Markt hergaben.

Die Körner wurden in einer Darre getrocknet (falls es nötig war) und dann in beachtlichen Gebäuden gelagert. Ein Problem stellten jedoch zunehmend die Vorratsschädlinge dar. Die Höfe waren schließlich keine reinen Selbstversorger mehr, sondern mussten zur Ernährung der Armee Überschüsse produzieren und einlagern. Dadurch wurde die Übersichtlichkeit der Vorräte geringer und die Attraktivität für Mäuse und Insekten größer. Man schätzt heute, dass bis zu einem Drittel der Ernte durch Fraß oder Verschmutzung unbrauchbar wurde.

 

Das Gemüse unterschied sich ein wenig von dem heutigen, zwar nicht in der Anbaumethode (natürlich nur Freiland ...), doch in der Auswahl. Die Sortenvielfalt war reicher als heute, wir wären froh, auf so viele regionale Varianten zurückgreifen zu können (oder zu dürfen). Es fehlten noch die Hochleistungs-Sorten, und die "Amerikaner" (Tomaten, Kartoffeln, Paprika, Mais, Grüne Bohnen) waren noch nicht bekannt, aber man kultivierte die einheimischen, mediterranen und asiatischen Pflanzen. Das Klima ließ Melde, Möhren, Rüben und Kohl wachsen (letzteren lernten die Römer erst nach der Überquerung der Alpen kennen), ebenso wie die mitgebrachten Zwiebeln, Knoblauch, Porree und Spargel. Hülsenfrüchte wie Erbsen und Dicke Bohnen (wir bezeichnen diese Sorte heute als Saubohnen) waren wichtig für die Eiweißversorgung. Solche Gemüse waren natürlich sehr pflegeintensiv und daher auf kleineren Flächen anzutreffen.

 

Viele der einheimischen Obstarten wurden zur Vitaminversorgung herangezogen - auch wenn man den Inhaltsstoff "Vitamin" noch nicht kannte -, aber man wusste vom gesundheitlichen Wert der Früchte. Äpfel, Birnen, Kirschen und die weitverbreiteten Wildfrüchte wurden schon von den Germanen und Kelten genutzt, die Römer brachten noch die aus Vorderasien stammenden Pflaumen mit - und hin und wieder wurden auch die (noch kleinen) Pfirsiche versucht, je nach Lage mit wechselndem Erfolg. Ähnlich erging es dem Wein. Die hiesigen Reben waren vielen Römern zu herb zum Keltern, man nutzte sie vornehmlich als Tafeltrauben. Getrunken wurden lieber die süßeren Weinsorten aus dem Süden, schließlich war Rom eine Weltmacht, und dieser gehörte der gesamte Mittelmeerraum mit den hervorragenden Lagen in den heutigen Ländern Italien, Frankreich und Griechenland.

 

Der Kräutergarten einer villa rustica war ebenso bestückt wie heutzutage - stammen doch die meisten unserer Küchenkräuter aus dem Mittelmeergebiet. Die Produkte waren aber nicht nur zum Eigenverbrauch bestimmt.

 

Was in unserem Klima keine Erträge brachte, musste herangeschafft werden - kein Römer wollte auf Oliven verzichten, besonders das Öl wurde auf langen Wegen transportiert, auch Linsen, getrocknete Feigen und Gewürze.

 

Die Tiere

Einen schönen Überblick gibt der Haustierpark der villa rustica in Möckenlohe. Als Zug- und Transporttiere wurden besonders Ochsen und Esel (oder Mulis) gehalten, die Pferdezucht versorgte die Reiter-Kohorten der Armee. Diese Pferde waren etwas kleiner als die heutigen Rassen - die im Haustierpark lebenden Norwegerpferde ähneln den damaligen Reittieren. Man darf dabei nicht vergessen, dass auch die römischen Soldaten im Durchschnitt etwas kleiner waren als die heutigen Bewohner "Rätiens".

 

Das bei den Römern sehr beliebte Fleisch lieferten anfangs Schweine, Schafe und Ziegen, die letzteren beiden auch gleich noch Milch für die Käseproduktion (Milch selbst wurde kaum getrunken), Wolle und Leder. Dazu gesellten sich noch die aus dem Süden mitgebrachten Damhirsche, die sich im Gegensatz zu den einheimischen Wildarten zur Zucht eigneten. Alle diese Fleischlieferanten wurden oftmals in Waldmast gehalten und ruinierten dadurch die Wälder. Die Schweine - sie ähnelten noch sehr ihrer wilden Verwandtschaft - fraßen die Eicheln und Bucheckern, die Ziegen die Schösslinge und die Schafe den Rest des grünen Unterbewuchses. Der Wald vergreiste und wurde irgendwann zum Heizen abgeholzt. Übrig blieben freie Flächen, die nur noch als Weiden geeignet waren. Daher setzte sich die Rinderzucht mehr und mehr durch - und die Essgewohnheiten der Römer mussten sich ändern. Galt anfangs der Pflugstier als heilig und durfte nicht geschlachtet werden, kamen nun sogar Fleischrinder auf, kurzhornige Rassen (ebenfalls etwas kleiner als heute), die den klimatischen Verhältnissen nördlich der Alpen recht gut angepasst waren. Sie lieferten Fleisch (besonders Kalbfleisch), Milch für den Käse und das begehrte Leder. Doch ist der Schlachtertrag eines Rindes prozentual viel geringer als der eines Schweins, daher war eine ökonomisch sinnvolle Haltung nur durch extensive Mast auf großen freien Flächen möglich, die sich auch zum Heumachen eigneten. Die Zufütterung von Kraftfutter lag noch in den Anfängen.

 

Das Geflügel auf einem solchen Bauerngut muss man sich "ebenso laut wie schmackhaft" vorstellen. Gänse, Enten, Hühner und Tauben bevölkerten den Hof. Doch die kleinsten nützlichen Flieger waren sicherlich die Bienen. Denn Honig war neben eingedicktem Obst- oder Weinsaft der einzige richtige Süßmacher. Schon die einheimischen germanischen und keltischen Völker betrieben aktive Imkerei - und mit dem Honig einen blühenden Handel mit den Römern. Diese übernahmen die klimatisch angepassten Bienen der Gegend für ihre eigene Bienenzucht. Doch das war - ebenso wie heute - ein Fachgebiet für Spezialisten.

 

Die Geräte

Einen Teil der landwirtschaftlichen Geräte kann man im Hof der villa rustica Möckenlohe besichtigen. 

Viele der Tätigkeiten versuchte man schon frühzeitig von der menschlichen Muskelkraft zur tierischen zu verlagern. Da man ein Heer zu versorgen hatte, konnten die großen Mengen an Getreide kaum noch mit der Sense gemäht und von Hand gedroschen werden, und so benutzte man regelrechte "Maschinen" oder zumindest Vorrichtungen, die von Zugtieren mit Kraft versorgt wurden. Schöne Beispiele sind die von Eseln betriebenen Mühlen (der im Hof der villa rustica Möckenlohe gezeigte Mühlstein ist wahrscheinlich ein Teil einer solchen Anlage), die mit einem Mann als "Ballast" besetzte Dreschwalze und natürlich die "Mähmaschine" (Foto).

Die Pflüge dieser Zeit haben den Boden noch nicht gewendet, wie es heutige Geräte tun, aber sie waren schon mit Eisen verstärkt (Schar und Sech) und hatte ein Radvorgestell - wahrscheinlich eine Erfindung aus dem hiesigen Rätien. Damit waren es praktisch die Urväter der modernen Pflüge. Solche schweren Zugleistungen, wie auch das Ziehen von Karren und Wagen, wurden fast ausschließlich von Ochsen bewältigt. Sie waren zwar langsamer als Pferde, aber dafür viel ausdauernder und kräftiger.

 

Weiterführende Literatur

"DIE RÖMISCHE VILLA RUSTICA MÖCKENLOHE" (Heigl) vom Hercynia-Verlag Kipfenberg (sehr zu empfehlen - die Broschüre wird in der villa rustica Möckenlohe während der Öffnungszeiten angeboten)

 

Quellen

Der Dank geht an alle Mitarbeiter von Museen und Archäologen, die sich mit der römischen Geschichte befassen. Besonders die Führungen (und Schautafeln) von Aalen, Gerolstein, Haltern, Möckenlohe, Nettersheim, Saalburg, Weißenburg und Xanten lieferten wertvolle Informationen - die anderen muss ich erst noch besuchen ...

 

Hilmar Rülke, Chemnitz/Sa. 2004